Text

Papier, Papier, Papier

Das Papier hat sich Anke Meixner schon lange als verlässlichster Partner im Hin- und Vorausblick auf die eigenen körperlichen Kräfte erwiesen und ihr gleichzeitig seine nahezu unbegrenzten Möglichkeiten gezeigt: So leicht wie es in der Regel ist, kann es doch groß sein, verletzlich und doch auch außerordentlich fest. Das strukturelle und farbliche Erscheinungsbild von Papier ist unendlich vielfältig, genauso wie seine Be- und Verarbeitungsmöglichkeiten geradezu grenzenlos sind. Mit all diesen Eigenschaften kann sie sich dieses wunderbare Material als Ausdrucksträger für ihre Ideen dienstbar machen – in der Fläche, als Körper und im Raum.

Für die flächigen Arbeiten kommt ihre Vorliebe für handgeschöpfte Papiere zum Tragen. Dabei steht am Anfang eines langen Prozesses die Verarbeitung von Faserstoff zum schöpfbaren Faserbrei, der von Anke Meixner mit dem „Holländer“ (der Papiermühle) selbst hergestellt wird. Teilweise gewinnt sie diesen auch aus gesammelten pflanzlichen Rohstoffen, hin und wieder daraus auch die Farbstoffe oder aus mineralischen die Pigmente. Das Einfärben selbst folgt als zweiter handwerklicher Arbeitsschritt, sofern entsprechend der jeweiligen Absichten gewünscht. Die Wahl der Farben und deren Aufteilung auf bestimmte, gewählte Faserbreimengen und sodann in die Schöpfwannen sind natürlich auch bereits wichtige Entscheidungen. Die folgende wesentliche Gestaltungsarbeit mit verschiedenen Schöpfsieben führt zu den für die Künstlerin typischen, meist mehrschichtigen Bildern im Sinne der Collage. Dabei experimentiert sie gern mit „Zutaten“ aus anderen Papieren und weiteren Materialien. Am Ende stehen die allein mehrere Tage umfassenden Arbeitsgänge des Trocknens und Pressens, bevor vom fertigen Bild die Rede sein kann.

Als wichtige gestalterische Mittel werden häufig Schablone und Prägung eingesetzt, um den Gefahren amorphen Zerfließens oder abstrakter Beliebigkeit und einem Zuviel an Zufälligkeit bewusst begegnen zu können. Auf diese Weise kommt Anke Meixner zu Gegenständlichkeit und insbesondere auch zur menschlichen Figur, ohne die ihre thematischen Ansprüche nicht zu realisieren wären. Jene liegen insbesondere und immer wiederkehrend im Ausloten und Sichtbarmachen zwischenmenschlicher Beziehungen, der Paarbeziehung insbesondere, des in der Gruppe und in der Gesellschaft Geborgenseins oder der Einsamkeit des Einzelnen in einer zunehmend chaotisch bis bedrückend erscheinenden Welt. Auch, dass in dieser die heutigen Gesellschaften auf allen Kontinenten sich selbst rapide die natürliche Lebensgrundlage auf unserem Planeten entziehen, ist Gegenstand bzw. geistiger Hintergrund ihrer Arbeit. Die Regel sind dabei Bildzyklen, Folgen oder Reihungen.

Der zweite Hauptbereich ihrer künstlerischen Arbeit mit Papier erstreckt sich auf räumlich-körperliche Gestaltungen, wobei häufiger industriell gefertigtes Japanpapier zum Einsatz kommt. Hier entwickelt Anke Meixner zuerst und entsprechend ihrer thematischen Vorsätze gern Formen in verschiedenen anderen Materialien, über welche sie die geschnittenen oder gerissenen Papiere kaschiert und verfestigt wieder von der Form löst. Das Ergebnis sind dann Papierobjekte, die ihr als Metaphern dienen – einerseits für die geistigen Reflexionen zu den schon für die flächigen Arbeiten genannten Themenbereichen, andererseits für ganz allgemeine Zustände des menschlichen Seins und Wollens: Fliegen, Schweben, Aufsteigen, Sich befreien etc. . Einerseits wird damit Bewegung thematisiert und suggeriert, andererseits aber in Ansätzen auch als physikalischer Vorgang direkt benutzt. Weiterhin spielt das Licht als ebenso veränderlicher Wirkungsfaktor eine bedeutende Rolle. Auch hier arbeitet sie zumeist mehrteilig bzw. mit seriellen Gestaltungen. Besonders mit den vorzugsweise in Weiß gehaltenen Objekten verleiht die Künstlerin jeder Ausstellung gewissermaßen einen besonderen Klang, der den Raum prägt ohne ihn zu okkupieren.

Ulrich Rudolph, Kunstwissenschaftler